Handbuch Seite 009-010

Wer früher im Ferienlager oder im Zug bei einer Klassenfahrt Autokarten dabei hatte, war gut gerüstet. Die besten Gewinnchancen besaß derjenige, welcher mit den technischen Daten der Fahrzeuge (Lokomotiven, Motorrädern, Schiffen, …) vertraut war. In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach, ob die Angabe der Motorleistung auf der Spielkarte korrekt ist.

Bei dem auf Seite 9 in der zweiten Fußnote angegebenen Gesamtgewicht muß es sich um einen Druckfehler handeln. Gemeint sind wahrscheinlich 3.525 kg.

Brake Horsepower (bhp; Leistungsangabe auf der Spielkarte)
Bei der Leistungsmessung von Motoren herrscht ein biblisches Durcheinander, da ein weltweiter Standard fehlt. Dies galt um so mehr zur Entstehungszeit des ZIL-111 / 111A. Wir beginnen daher mit Grundsatzfestlegungen.

Metrisches Maß
PS - Eine Pferdestärke war definiert als diejenige Kraft, mit der 75 Kilogramm um 1 Meter in 1 Sekunde gehoben werden. Mit Inkrafttreten des deutschen Einheitengesetzes 1972 wurde die Maßeinheit durch Kilowatt ersetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch spielt diese auch ein halbes Jahrhundert später noch eine wichtige Rolle. Merke: Technologiewechsel (wie beispielsweise die Einführung der Dampfmaschine, der Telefonie, der Schreibmaschine und des Computers etc.) führen regelmäßig zu neuen Begriffen, doch Verordnungen setzen sich nur dann durch, wenn man sie auch durchsetzen kann.

Imperiales Maß
HP - Ein Horsepower ist definiert als diejenige Leistung, mit der ca. 250 kg in 1 Sekunde um ca. 30 cm gehoben werden. Daher gilt: 1 HS ≠ 1 PS; 1 PS ist um 10 W größer als 1 HP.

Während es sich bei PS und HP also um unterschiedliche, aber definierte Maße handelt, stehen andere Bezeichnungen für unterschiedliche, aber definierte Meßmethoden. Die Rede ist von DIN-PS, BHP, CUNA-PS sowie SAE-PS.

DIN-PS wurden auf einem Motorenprüfstand direkt am unveränderten Motor gemessen, auf Basis der PS-Definition.
BRAKE Horsepower wurden ebenfalls direkt am unveränderten Motor gemessen, jedoch auf Basis der HP-Definition. Da die Kraft zum Abbremsen eines Motors genauso groß sein muß, wie die Motorkraft selbst, ermittelte man diese Bremskraft auf einem Dynamometer.
CUNA-PS wurden am veränderten Motor gemessen. Luftfilter und Schalldämpfer wurden vor der Messung entfernt. Es existiert keine sinnvolle Umrechnungsmöglichkeit zu DIN-PS, da der Unterschied vom Leistungshunger der zuvor entfernten Nebenaggregate bestimmt wird.
SAE-PS („Society of Automotive Engineers“) wurden am veränderten Motor gemessen und vor allem in den USA bis 1972 verwendet. Zusätzlich zum Luftfilter und Schalldämpfer wurden die Wasserpumpe, die Lichtmaschine sowie der Lüfter entfernt. Auch hier existiert keine sinnvolle Umrechnungsmöglichkeit zu DIN-PS. Als Daumenwert gilt, daß der SAE-Wert etwa 15-20% über dem DIN-PS-Wert liegt.

Achtung: SAE-PS wurden nicht selten als Brutto-Horsepower (bhp) bezeichnet und aufgrund der gleichartigen Abkürzung mit Brake Horsepower (bhp) verwechselt.

Damit haben wir nun genügend Informationen, um die Leistungsangabe auf der Spielkarte zu überprüfen. 200 PS * 0.986 HP ≈ 197,2 bhp; bei 200 PS Motorleistung des ZIL-111 müßte die Angabe auf der Spielkarte 197 Brake Horsepower lauten.
Nicht nur der Spielkartenhersteller verhedderte sich mit der Umrechnung. Im unten abgebildeten Werbeheftchen von 1965 gab es sogar DIN/SAE-PS und CUNA/SAE-PS. Im Sozialismus sind eben alle Werte gleich!
Die zusätzlichen 20 PS entstanden vermutlich beim Herausrechnen der Klimaanlage.

Bislang war von Leistungsmessungen die Rede. Abschließend noch ein kurzer Blick auf den im Handbuch erwähnten Minimalen spezifischer Verbrauch bei vollständig geöffneter Drosselklappe in g/e. PS h
Der spezifische Verbrauch beschreibt, wie viel Kraftstoff ein Motor verbraucht, um eine definierte Leistung über eine bestimmte Zeitspanne zu erzeugen. Er ermöglicht den Vergleich der Effizienz verschiedener Motoren unter gleichen Bedingungen.
Die Maßeinheit “g/e. PS h” steht für den Verbrauch in Gramm pro effektivem PS pro Stunde. Das Wort effektiv gibt einen Hinweis auf die sowjetische Meßmethode; vermutlich wurde am Kurbelwellenausgang gemessen, um beim angestrebten Vergleich von einer Vielzahl von Störgrößen befreit zu sein.


WEITERFÜHRENDE LINKS


Quellenverzeichnis

  • Abbildung 1 - daviddb, Flickr

  • Abbildung 2 (2 Seiten) - Anleitung für Wartung und Betrieb des ZIL-111 und ZIL-111A, herausgegeben vom staatlichen, wissenschaftlich-technischen Verlag Maschinenbauliteratur, Moskau 1961

  • Abbildung 3, 4 - Wikipedia

  • Abbildung 5 - Guscha.de

  • Abbildung 6,7 - Avtoexport 1965


Zurück
Zurück

Handbuch Seite 011-012

Weiter
Weiter

Handbuch Seite 007-008