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Die U.S. ARMY zeigt Interesse am ZIL-114

ZIL-114 - Freigegebene Geheimdienstunterlagen

Der kalte Krieg, ein Zeitabschnitt zwischen 1947 bis 1989, war eine politische-ideologische Systemkonfrontation zwischen dem kommunistischen und kapitalistischen Lager und bestimmte die Außen- und Sicherheitspolitik in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Der eiserne Vorhang, welcher sich durch den wirtschaftlichen Kollaps der Warschauer Vertragsstaaten geöffnete hatte, senkte sich erst wieder, als Putin ein Vierteljahrhundert später die Ukraine überfiel. Während der kurzen Tauwetterperiode war auch ein Blick in lange verschlossene Archive von Ost und West möglich.
Der heutige Beitrag soll Sie, werte Leser, auf einen Hinweis in einem westlichen Geheimdienstbericht einstimmen, in dem ein ZIL erwähnt wurde. Es handelte sich dabei um einen 114er, Nachfolger des ZIL-111 als sowjetisches Repräsentationsfahrzeug der höchsten Klasse, erstmals vorgestellt anläßlich des 50. Jahrestags der Oktoberrevolution 1967.

Die Abbildung zeigt einen Wagen in einer späteren Ausführung.

Da im heutigen Beitrag eher politische und ökonomische Fragen akzentuiert werden, nutzen wir den Anblick des gradlinigen Entwurfs für einen punktuellen Designexkurs. Mutmaßlich mit dem Bestreben, die glattflächige Kontur noch zu vergrößern, verkleidete man selbst die Hinterräder des ausgesprochen langgestreckten Wagenkörpers. Es handelt sich um sogenannte Kotflügelschürzen (“fender skirts”) - hinter der Mauer ein seltener Anblick. Ohne Konkurrenzdruck waren Automobilhersteller im Osten nicht gezwungen, jedes Jahr eine neue, verbesserte Version auf den Markt zu bringen. Dies schütze sie vor eher kurzlebigen Modeerscheinungen. Mir fallen bei Fahrzeugen, die hinter dem eisernen Vorhang entstanden und bei denen Radverkleidung installiert wurden, augenblicklich nur Karosserien ein, die auf Vorkriegsentwürfe zurückgingen (Tatra 87 sowie die herrlich anzuschauenden EMW-Prototypen). Die Halbschürzen am geländegängigen GAZ-M72 Pobeda bildeten eine weitere Ausnahme.

Der ZIL-114 bot modisches Beinkleid für hochgestellte Genossen.

Die Fahrzeugvorstellung des ZIL-114 durch den Moskauer Vorzeigebetrieb anläßlich des höchsten politischen Festtags sollte die Leistungsfähigkeit der inländischen Automobilproduktion demonstrativ unter Beweis stellen. Doch in der sowjetischen Wirklichkeit blieben Spitzenerzeugnisse den politischen Eliten vorbehalten. Wagen dieser Kategorie fand man daher naturgemäß im Moskauer Kreml und an den Schaltstellen politischer Macht. Daß die Insassen eines ZIL-114 nicht zur “normalen” Bevölkerung zählten, wußte jedes Kind.

Moskau, Dezember 1967. Zeitloses sowjetisches Design mit unverkennbar US-amerikanischem Ursprung.

Mit einem solchen Fahrzeug kutschierte kein Bäckermeister, Lokomotivschlosser oder ein anderer Normalsterblicher seine Familie bei einem Wochenendausflug zum Badesee. Ausschließlich die Eliten der UdSSR, deren Angehörige und deren ausländische Gäste wurden in diesen fahrenden Sänften chauffiert. Dadurch gerieten Staatskarossen natürlich auch in den Blickwinkel der gegnerischen Aufklärung.

Ein Zil-114, groß wie ein Luftschiff, wartet auf den Generalsekretär der KPdSU Breschnew

Wer sitzt drin? Wie dicht kommen die Fahrgäste dem Staatschef? In welcher Reihenfolge ist die Kolonne zusammengestellt? Welchen Weg nehmen die Regierungsfahrzeuge? Was verraten deren Antennen über die Kommunikationsvorrichtungen? Wer darf im teuersten Wagen Platz nehmen? Sind die Autos gepanzert? Welches Land entsendet häufig Delegationen? Warum wurde jemand nicht eingeladen, der früher nie fehlen durfte? …

Der US-amerikanische Außenminister Cyrus Vance wird in einem ZIL-114 zum Moskauer Kreml gebracht. Sein Verzicht auf eine US-Limousine erfolgte möglicherweise mit dem Kalkül, durch das Sternenbanner am ZIL ein symbolisches Signal der Kooperation und Deeskalation im Rahmen der Entspannungsdiplomatie zu senden. Seine damalige Mission, die Begrenzung strategischer Rüstungen (SALT II), scheiterte jedoch.

Da sich die Fahrzeugentwicklung und -produktion am Schnittpunkt vieler Fertigungsprozesse befinden, verkörpert ein solches Spitzenprodukt der heimischen Industrie zugleich die technologischen Fähigkeiten einer Volkswirtschaft. Der vor wenigen Jahren im Fuhrpark des Moskauer Kreml vollzogene Wechsel von Mercedes zu Aurus verdeutlichte den Fortbestand einer alten Regel: jedes Regierungsfahrzeug ist nicht nur ein Technologieträger, sondern immer auch ein Statement auf vier Rädern!
Die neue Staatskarosse wurde erstmals am 7. Mai 2018 bei Putins Amtseinführung verwendet. Die formale Marken- und Fahrzeugvorstellung erfolgte am 22. Mai 2018 beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg.

Aurus Senat - Statement und Technologieträger

Unten ein stark verkürzt wiedergegebenes Dokument des U.S. ARMY FOREIGN SCIENCE AND TECHNOLOGY CENTER, Vorgänger des heutigen National Ground Intelligence Center. Beim Literaturstudium sowjetischer Publikationen wurden selbst allgemeine Hinweise gesammelt, um das abgeschottete Land und die oftmals bizarren Vorgänge hinter den hohen Betonmauern verständlicher werden zu lassen.
Der US-Fahrzeughersteller Packard hatte bereits 1939 bei Bishop & Babcock Mfg. Co. Klimaanlagen in Fahrzeugen installieren lassen. Doch als fast drei Jahrzehnte später die Sowjets gleichzogen, war das schon eine Meldung wert.



Quellennachweis

  • Abbildung 1 - Quelle unbekannt

  • Abbildung 2 - www.guscha.de

  • Abbildung 3 - © Gettyimages Moskau 1967 (Layoutpictures, educationl purpose only)

  • Abbildung 4 - Chicago Tribune Sun vom 24. November 1996 in einem Artikel über das Unternehmen ZIL

  • Abbildung 5 - Aurus Motors

  • Abbildung 6 - FSO (Bundessicherheitsdienst der russischen Förderation)

  • Abbildung 7 (3 Seiten) - U.S. ARMY FOREIGN SCIENCE AND TECHNOLOGY CENTER 1969 (freigegeben und stark verkürzt)


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