Handbuch Seite 007 - 009
Im Vorwort des Handbuchs heißt es, das darin diejenigen konstruktiven Details, welche sich vom ZIS-110 unterscheiden, erläutert werden. Bei der im Text genannten, jedoch nicht näher erläuterten Riemenscheibe muß es sich um die auf der Kurbelwelle sitzende Dämpferscheibe handeln. Da diese auch beim ungepanzerten Wagen am gleichen Einbauort installiert ist, bezieht sich die im Handbuch genannte Veränderung offenbar auf deren größeren Durchmesser. Nähere Angaben fehlen zwar, lassen sich jedoch herleiten. Durch den größeren Durchmesser wird eine höhere Lüfterdrehzahl sowie eine schnellere Umwälzung des Kühlwassers im 115er erreicht. Dessen Lichtmaschine läuft nun ebenfalls schneller und erzeugt mehr Strom, muß dafür jedoch verstärkt werden, um im höheren Drehzahlbereich nicht zu überhitzen.
Die Verwendung des Plural (Riemenscheiben bzw. Ventilatoren) ist nicht korrekt. Der 115 verfügte an der Kurbelwelle über eine und nicht mehrere Riemenscheiben und hatte auch nur einen Ventilator.
Der Ölkühler sollte für eine höhere Dauergeschwindigkeit im Flachland sorgen. Ohne Zwangskühlung durch einen Ventilator benötigen Ölkühler den Luftstrom des Fahrtwinds, um die ihnen zugedachte Funktion erfüllen zu können. Bei Motorlauf im Stand oder bei langsamer Bergauffahrt kann das Aggregat kaum etwas zur Kühlung und damit zur erneuten Verdickung (“Viskosität”) des durch Hitze dünnflüssig gewordenen Motoröls beitragen.
Die Viskosität ist ein Maß für die Zähflüssigkeit eines Fluids. Der Kehrwert der Viskosität ist die Fluidität, ein Maß für die Fließfähigkeit eines Fluids. Je größer die Viskosität, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist das Fluid; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist es.
Der Begriff Viskosität geht auf den typisch zähflüssigen Saft der Beeren in der Pflanzengattung Misteln (Viscum) zurück. Aus diesen Misteln wurde der Vogelleim gewonnen, viskos bedeutet also grob zäh wie Vogelleim.
Zusammenhang zwischen Viskosität und Öltemperatur
Der Zusammenhang zwischen Motorbetriebseigenschaften und Ölfließverhalten war im Jahr 1945 aufgrund der Verwendung von hochviskosem Öl deutlich enger als heute. Allzu dünnflüssiges Öl büßt seine Schmier- und Wärmeleitfähigkeiten ein, doch der Versuch, hochviskoses Öl bei niedrigen Temperaturen durch die Leitungen zu pumpen, bildete in jenen Jahren bei einer Reihe von Fahrzeugtypen die Ursache für Schäden an Ölschläuchen, Dichtungen und insbesondere an den dünnwandigen Gehäusekühlern, die für dünnflüssigere Öle entwickelt wurden. Ein Reduzierventil schützte vor Überdruck bei kaltem Öl - ohne dieses Ventil hätte man neben dem rot gefärbtem Hochtemperaturbereich in der Anzeige des Öltemperaturthermometers auch den Kaltbereich besonders kennzeichnen müssen, um dem Fahrer eine Gefahr zu visualisieren.
Die Lamellen von modernen Ölkühler sind noch immer so filigran, daß diese beispielsweise bei einer Wagenwäsche durch einen Hochdruckwasserstrahl beschädigt werden können. In der UdSSR suchte man nach einer Alternative zu diesem zerbrechlichen Aggregat und experimentierte mit unterschiedlichen Kühlerwandstärken.
So erhöhte man die bis dahin übliche Wandstärke von 0,12 auf 0,15 Millimetern und untersuchte die Auswirkungen auf die Wärmeableitung, wie aus dem oben gezeigten Schreiben hervorgeht.
Die beiden Varianten verdeutlichen, daß weder die Ölkühlung noch die verstärkte Wasserkühlung generelle Konstruktionsmerkmale des Modells 115 darstellten, sondern vielmehr als optionale Anpassung an bestimmte klimatische Einsatzräume und geografische Anforderungen entwickelt worden waren. Offenbar ging der Konstruktion dieses Fahrzeugs eine weitreichende Einsatzplanung voraus und definierte künftige technische Merkmale des gepanzerten Wagens. Auch heutzutage ist es bei Ausschreibungen üblich, daß der künftige Verwender militäischer Produkte vor deren Konstruktion ein Anforderungsprofil entwickelt.
Der filigrane Ölkühler ermöglichte hohe Dauerleistungen in der Ebene.
Quellenverzeichnis
Abbildung 1 - Anleitung für Wartung und Betrieb des ZIS-115, herausgegeben vom Ministerium für Automobilindustrie der UdSSR, Moskau 1950;
deutsche und russische Übersetzung: © Guscha.deAbbildung 2 - © Guscha.de
Abbildung 3 - Antiqcar.ru, Schreiben an den ZIS-Chefkonstrukteur
Abbildung 4, 5 - Anleitung für Wartung und Betrieb des ZIS-115, herausgegeben vom Ministerium für Automobilindustrie der UdSSR, Moskau 1950;
deutsche und russische Übersetzung: © Guscha.deAbbildung 6 - Restaurationswerkstätten des technischen Museums Wadim Zadoroshny, Moskau 2009